Vera F. Birkenbihl hat sich intensiv mit den Vorgängen im Gehirn auseinandergesetzt, um dem Lernmechanismus auf die Spur zu kommen und Methoden entwickelt, wie wir gehirngerecht Neues lernen können. Also so, dass wir es dem Gehirn möglichst einfach machen, Neues aufzunehmen.
Doch wie bekomme ich das Wissen nachhaltig in meinen Kopf? Wie kann ich dabei vorgehen? Wie gehe ich eine Recherche an? Welche Routine kann mir dabei helfen? Wie kann ich mein Unterbewusstsein mit in den Lernprozess einspannen?
Folgender Leitfaden hilft mir seit Jahren zum Beispiel bei Recherchen, zu Themen, die Neuland für mich sind und beim Erarbeiten neuer Inhalte für Artikel und Beiträge.
Zur Vorbereitung
Du brauchst ein paar Blatt Schmierpapier. Denn, genau wie beim Zeichnen kann ein makelloses, weißes Blatt dich hemmen, anzufangen. Wir wollen alles direkt richtig machen und können uns nicht überwinden, es “zu versauen”. Vor einem zerknitterten Stück Packpapier haben wir nicht so eine Ehrfurcht und können direkt loslegen.

1. Formuliere dein Thema.
Natürlich brauchen wir ein Thema, bevor es losgeht. Vielleicht hast du eine Aufgabe in der Schule oder im Studium erhalten oder du willst einen Fachartikel für ein Blog oder eine Zeitschrift schreiben. Mit oder ohne Auftrag: Du brachst ein Thema.
Also, notiere auf dein Schmierpapier dein Thema möglichst genau. Ich erfinde eine Überschrift, ob ich sie dann nutze oder am Ende noch einmal ändere ist in diesem Stadium nicht relevant. Diese Überschrift besteht aus einem kurzen knackigen Satz und einer erklärenden Ergänzung.
Für diesen Artikel hieß mein Thema “Neues lernen in 7 Schritten – ein Leitfaden, um sich neues Wissen gehirngerecht zu erarbeiten.”
Und schon sind wir mittendrin.
2. Brainstorming: Notieren, was ich schon weiß.
Brainstormings kennen wir wohl alle. Es werden Gedanken und Ideen gesammelt und aufgeschrieben, aber nicht bewertet. In unserer Methode geht es nicht um Ideen, sondern um Wissen. Wir notieren, was wir auch ohne Recherche im Internet oder Büchern als Grundlagen schon zur Verfügung haben.
Das müssen keine Zusammenhänge sein, sondern einfach das, was in unserem Kopf schon vorhanden ist. Bei manchen Dingen sind wir unsicher, ob sie richtig sind. Diese markieren wir, damit wir sie in einem der nächsten Schritte prüfen, verifizieren oder vertiefen können. Das tun wir aber jetzt auf keinen Fall, denn wir wollen ja unser Gehirn aktivieren.
Du wirst erstaunt sein, wie viele Mosaiksteinchen du zu deinem Thema schon abgespeichert hast.
Setze dir ein Zeitlimit für dein Brainstorming, denn sonst kannst du dich verzetteln. Eine halbe Stunde, in der ich aber nicht permanent vor meinem Schmierpapier sitze, hat sich für mich bewährt. Oft fällt mir anfangs ganz viel ein. Nach ein paar Minuten verebbt der Schwall. Aber, da jetzt der Gedankenapparat gebrieft ist, gräbt er auch weiter nach den Wissenschätzen, wenn ich mir die Hände wasche, Tee koche oder eine Runde durch den Garten drehe.
3. Recherche: Sammle Informationen in Büchern wie Lexika, Sachbüchern o. ä.

Da unser Gedächtnis Lücken aufweist oder wir vom Thema noch nicht viel wissen, brauchen wir Hilfe von außen. Und zwar erst mal analog. Wir gehen zu Hause auf die Suche nach Infos zum Thema in einem Lexikon, im Duden, in Büchern, Zeitschriften usw.
Das mag heute nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Doch diese Vorgehensweise bewahrt uns davor, vom riesigen Internetwissen erschlagen zu werden. Wirklich wichtige Daten und Fakten findet man zu fast jedem Thema im Lexikon.
Nun hat heute nicht mehr jeder 20 Bände Brockhaus zu Hause im Regal. Da könnte der Gang in eine Bibliothek oder ein Besuch bei den Eltern helfen.
Wenn du keinen Zugang zu analogen Medien hast, empfehle ich, nicht direkt auf Google zu suchen, sondern auf einer begrenzten Wissensplattform wie beim Duden oder einem Synonymwörterbuch. Zu Wikipedia würde ich noch nicht gehen, denn dort ist die Verzettelungsgefahr sehr groß und die Infos sind für dieses Stadium zu umfangreich.
4. Lies die gefunden Informationen langsam und laut.
Dein Wissensschatz wächst. Alles, was du bisher analog gefunden hast, gehört zu deinem Thema und soll in deinem Gehirn mit deinem bestehenden Wissen die neue Grundlage für deine Recherchen werden.
Um die Infos besser aufnehmen zu können, lies sie dir selbst vor – langsam und laut. Du kannst sie auch noch einmal abschreiben – langsam – und sie dir dabei vorlesen.
Der Hintergrund für dieses Vorgehen ist der, dass je mehr Sinne einbezogen werden, auch mehr Verknüpfungen im Gehirn entstehen und um so besser merken wir uns Dinge.
5. Formuliere Fragen zum Thema, die du gezielt recherchieren willst.
Aus deiner bisherigen Sammlung ergeben sie sicher Fragen, denen du genauer nachgehen willst. Vielleicht die historische Entwicklung einiger Aspekte deines Themas oder wie in einer bestimmten Zeit damit umgegangen wurde oder ob in anderen Ländern anders mit dem Thema umgegangen wird.
Also entwickle Fragen, die dein Leitfaden sein werden, für die weitere Suche. Die Anzahl richtet sich nach dem Thema an sich und dem Anspruch oder Zweck deiner Ausarbeitung.
6. Sei ein Detektiv und beginne eine tiefere Recherche

Jetzt sind wir bereit, in die Tiefe zu gehen, denn unsere Basis kann uns leiten und wir können beispielsweise falsche Aussagen identifizieren. Eben weil wir jetzt ein größeres Grundwissen haben.
Jetzt ist die Zeit, mit der Internetrecherche zu beginnen. Unsere Fragen sind der Leitfaden, um uns nicht in den unendlichen Informationsweiten zu verlieren.
Du kannst Leute befragen. Jeder hat einen anderen Wissensstand und andere Menschen haben andere Ansichten, finden andere Zusammenhänge wichtig oder haben Erfahrungen mit genau deinem Thema. Durch dein bereits erarbeitetes Basiswissen kannst du in einen qualifizierten Dialog treten und die “richtigen” Fragen stellen.
Nutze das Schwarmwissen deiner Community. Ob als Frage im Status bei Whats App oder als Facebook-Beitrag. Wenn du TikTok nutzt, stelle deine Fragen dort. Nutze die Plattform, die dir am besten liegt.
7. Sprich eine Woche lang über dein Thema.
Wir haben uns jetzt wirklich intensiv mit unserem Thema auseinandergesetzt. Jetzt kann unser Gehirn fast alleine weiter daran arbeiten. Wir haben den Prozess bewusst angeschubst. Unser Unterbewusstsein arbeitet weiter. Dazu musst du wissen: Nur 2 % unseres Denkens ist bewusst. 98 % unserer Denkprozesse (ohne Grundfunktionen wie Atmung und Herzschlag) laufen unbewusst ab. Zur besseren Vorstellung kann man sagen, dass auf 15 mm bewusstes Denken 11 km unbewusstes Denken stattfinden. Diesen Schatz nutzen wir hier für unser Recherchen.
Denn wenn du dein Thema im Bewusstsein hältst, indem du beispielsweise bei jeder Gelegenheit (ohne andere zu nerven ;-)) über dein Thema sprichst, wird sich der Effekt einstellen, dass dir überall und jederzeit Bezüge zu deinem Thema begegnen. Vera F. Birkenbihl beschreibt diesen Effekt mit der Geschichte, als sie sich für Wohnmobile interessierte und sich darüber informiert hat, dass sie plötzlich überall Wohnmobile wahrgenommen hat – es ist eben der Wohnmobil-Effekt.
Bringe dein Wissen in Form
Wir haben alle sieben Schritte absolviert, aber was machen wir jetzt mit unserem neuen Wissen?
Steve Jobs würde sagen “One more thing” …
Das Wissen ist da, das war unser Ziel. Jetzt muss es einfach noch in Form gebracht werden. Je nach Aufgabe kannst du jetzt eine Struktur aufbauen und die einzelnen Punkte mit Inhalt füllen, dir Gedanken über die Bebilderung machen und knackige Zwischenüberschriften texten. Wenn du magst, kannst du auch weiterführende Informationen verlinken. Das gibt der Arbeit noch einen komplexere Gestalt. Und natürlich die Quellenangaben nicht vergessen, solltest du Daten und Fakten verwenden oder aus Büchern, Zeitschriften oder Interentartikeln zitieren.